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Historie von Lorch und seinen Stadtteilen
Historie der Stadt Lorch und Stadtteile
Das älteste schriftliche Zeugnis der Stadt Lorch ist eine Urkunde aus dem Jahre 1085. In ihr beurkundet Erzbischof Wezilo, dass der Mainzer Domkanonikus Embricho dem Domkapitel eine Anzahl Güter geschenkt habe, darunter ein Haus und Weinberge in Lorch. Mit dem Passus "In villa autem, que dicitur Loricha, domus bona cum omni suppellectili sua, vinee bone, quarum quantitas et denominatio hec est" ist die erstmalige Nennung Lorchs gegeben. Eine solche Nennung deckt sich im allgemeinen nicht mit dem wirklichen Alter eines Ortes. Bodenfunde führen meistens weiter zurück. Das ist auch im Falle Lorch so.
Rundturm Leprosenhaus Cohausen stieß bei Grabungen entlang dem Kaufmannsweg nahe Lorch in den 70er Jahren auf Gräber aus keltischer Zeit. Der Kaufmannsweg ist ein Teilstück des vorgeschichtlichen Rheingauer Höhenweges, des Rennweges (Renn-Rain), der in Lorch begann und mit zwei Abstiegen nach Rüdesheim und Geisenheim führte.
Die Zeit der Römer lässt genauere Erkenntnisse und Datierungen zu. Es ist zwar fragwürdig, Lorch als römische Siedlung anzusehen, sicher ist jedoch, dass es ein militärischer Stützpunkt der Römer auf dem Weg der Wachablösungen vom römischen Bingen zum Limes bei Kemel war. Bodenfunde aus römischer Zeit beim Wasserwerk der Stadt, dem Endpunkt des Übersetzweges über die Lorcher Insel, geben deutliche Hinweise. Als um 260 n.Chr. der Limes aufgegeben wurde und damit die Herrschaft der Römer rechts des Rheines endete, errichtete Kaiser Valentinian (364-374) ähnlich wie an anderen Nebenflusseinmündungen in den Rhein auch an der Wispermündung einen Burgus. Der heutige Kirchturm steht auf den Fundamenten dieses Burgus. Ein römischer Ziegeldurchschuss wurde bei Grabungen in den Fundamenten entdeckt.
Der Ortsname Lorch ist kelto-romanischen Ursprungs, ein Hinweis auf die frühe Besiedelung und auf die Fortdauer der Siedlung über die Zeit der Völkerwanderung hinaus. Der Ortsname kommt in verschiedenen Schreibweisen vor: Lorecha, Loricha, Loreche, Loriche, Lorke, Lorcha, Lorche, Lohrig.
Spätestens um 500 bemächtigten sich die Franken des Rheingaues und beherrschten auch den Lorcher Raum. Der von ihnen errichtete Salhof am jetzigen Marktplatz, ein Herrschaftshof, von dem der herrschaftseigene Besitz verwaltet und bewirtschaftet wurde, brannte 1612 nieder. Mauer, -Fenster- und Säulenreste sind im Hof der Bäckerei Laquai zu sehen. Siedlungskern in fränkischer Zeit war die Hochterrasse des heutigen Kirchplatzes und des Römerbergs, der sich zum Friedhof hinzieht.
Nach Erbauung der Lorcher Burganlage zwischen oberer Kirchgasse, Markt und Schaar, wurde der Wehrturm als Bergfried in die neue Anlage einbezogen. Das Vorhandensein einer Lorcher Burganlage ist in einer Verpachtungsurkunde des Abtes Burchard vom Kloster St.Jakob bei Mainz nachgewiesen, in der es von einer verpachteten Hofstätte heißt:
"Quae ad castellum sita est in villa Lorecho" (Urk. 1107 und 1114).
In die frühe fränkische Zeit fällt auch die Begründung der Lorcher Pfarrei. Die erste Lorcher Kirche, eine romanische Basilika an der Stelle des heutigen Nordschiffes, auch Presberger Schiff genannt, war Mutterkirche ebenso wie die in Rüdesheim, Oestrich und Eltville. Diese Funktion bedeutete die frühe Erhebung zur Pfarrei. Urkundlich wird ein Pfarrer erst 1254 nachgewiesen. Erfahrungsgemäß liegt aber auch im kirchlichen Bereich zwischen der Ersterwähnung und der tatsächlichen Begründung einer Pfarrei meist ein erheblicher Zeitabstand. Der Eberbacher Bursarius, Pater Bär, datiert die Mutterkirchen ins 6. Jahrh. und spricht nur wichtigen Orten die Existenz einer solchen zu. Dass Lorch ein wichtiger Ort war, beweist das Vorhandensein des Salhofes, aber auch das Martinspatrozinium spricht für die frühe Begründung der Pfarrei, da in frühfränkischer Zeit Martin mit Vorrang als Schutzpatron erwählt wurde.
Mit der Schenkung Ottos II. im Jahre 983 gingen hoheitliche Rechte im unteren Rheingau und damit auch im Lorcher Raum an den Erzbischof von Mainz über. Der stete Einfluss im kirchlichen, grundherrlichen und richterlichen Bereich führte in knapp anderthalb Jahrhunderten zur vollen Landesherrschaft des Erzbischofs. Rundturm LeprosenhausAusgedehntes Territorialstreben der mainzischen Herrschaft zielte bald über Lorch hinaus auf den Erwerb von Ländereien und Höfen, und es musste damit zu Interessenkonflikten mit den angrenzenden Grundherrschaften kommen. Bei diesen Auseinandersetzungen wurde Lorch mit seiner exponierten Lage als nordwestlichste Stadt des mainzischen Gebietes zu einem verteidigungsmäßig wichtigen Bollwerk.
Lorch war gezwungen, sich "frühzeitig zu befestigen, insbesondere mit einer Burg", schreibt Dr. R. Haas in seiner "Rheingauer Geschichts- und Weinchronik". Der flächenmäßigen Ausdehnung genügte die beim Marktplatz vorhandene Burg nicht mehr zur Sicherung, und Lorch umgab sich ab dem 13. Jahrhundert mit Mauern und Türmen.
Innerhalb der Stadtmauern hatte sich Lorch zu einem einwohnerreichen Gemeinwesen mit stadtähnlicher Bedeutung entwickelt. Die Felsenbarriere des Binger Lochs hatte Lorch schon früh zum Warenumschlagplatz gemacht, denn alle rheinaufwärts und rheinabwärts gehenden Schiffstransporte mussten hier mit Kränen umgeladen und auf dem Kaufmannsweg über die Höhe transportiert werden. Die mit der Mainzer Herrschaft einsetzenden Rodungen brachten eine ausgedehnte Weinbaufläche und einen lebhaften Weinhandel mit allen Anschlussgewerben. Eine ortsansässige Tuchweberschaft baute ihr einträgliches Gewerbe auf, versorgte nähere und weitere deutsche wie auch ausländische Märkte und förderte mit den Färbern den kulturenmäßigen Anbau des Färberwaid, mit dem die blaue Farbe gewonnen wurde. Als halbfertiges Produkt wurde sie bis nach Holland und England exportiert. Die Lorcher Schifffahrt setzte verstärkt ein und wird bereits 1104 im Koblenzer Zollprivileg erwähnt. Alle diese Faktoren waren Ursache eines frühen, stetig wachsenden wirtschaftlichen Aufschwunges. Das sich daraus entwickelnde starke Selbstbewusstsein der Bürger hatte eine ebenso früh einsetzende Selbstverwaltung zur Folge.
Bereits 1277 tritt in Lorch das erste Siegel auf, das älteste Siegel des Rheingaues. Es zeigt das sechsspeichige Mainzer Rad und die Inschrift "Sig. jurati in Lorche super annonam", Siegel der Geschworenen über die Bede. Ein zweites Siegel, das 1300 auftaucht, zeigt die Umschrift "Sigillum universitatis in Lorche" und dürfte damit auf die Stärkung des bürgerlichen Elementes hindeuten. Die Siegel 1325 bis 1582 und die des 16. Jahrh. behalten die Umschrift, nur nimmt das Mainzer Rad eine untergeordnete Stelle unter der Darstellung des mantelteilenden Martin mit dem Bettler ein. Bei weiteren Siegeln aus der nassauischen und preußischen Zeit ist das Mainzer Rad völlig verschwunden, eine Dokumentation herrschaftspolitischer Gegensätze. Ab 1909 erscheint das Rad wieder unter dem Martinsbild, und auch heute ist das Lorcher Siegel so gestaltet. HilchenhausAuf zwei kleine Ratssiegel aus dem 17. und 18. Jahrh. geht das heutige Lorcher Wappen zurück, das zwei durch einen goldenen Querbalken getrennte sechsspeichige silberne Räder auf rotem Grund zeigt.
In Lorch gab es bereits im frühen 11. Jahrhundert zahlreiche Adelsgeschlechter. Urkundlich sind sie seit 1090 nachgewiesen. Es handelte sich um einen sogenannten Dienstadel, um Soldaten also, die für besondere Verdienste mit Gütern als Eigenbesitz beschenkt worden waren. Sie bezeichneten sich in den Urkunden mit "miles" und fügten ihrem Vornamen "de Loricha" oder "de Lorche" hinzu. Gegen Ende des 12. Jahrh. machten Beinamen, später auch Wappen, eine genauere Unterscheidung der einzelnen Geschlechter möglich.
Ein Erwerbszweig, der Weinbau, konnte sich in Lorch über alle Jahrhunderte behaupten. Er blieb wichtigster Erwerb, auch als der Niedergang Lorchs durch die Schiffbarmachung des Binger Lochs und durch die Vertreibung der Tuchmacher unabwendbar wurde. Die erste urkundliche Nachricht über den Lorcher Weinbau ist mit der Urkunde aus dem Jahr 1085 gegeben. Ein Weinberg wird mit "vinea, que dicitur rubea" bezeichnet, ein Beweis für den frühen Rotweinanbau in Lorch. Die wirklichen Anfänge des Lorcher Weinbaues dürften erheblich weiter zurückliegen und in fränkische Zeit gehen.
Nicht immer verlief die Entwicklung von Lorch friedlich. Dafür sorgte die gefährliche Grenzlage, aber auch von großen Kriegen wurde Lorch in Mitleidenschaft gezogen. 1456 kam es zu Auseinandersetzungen mit der pfalzgräflichen Seite, 1460 lieferte sich die Besatzung der Sauerburg mit den Lorchern in der Nähe der heutigen Kreuzkapelle ein schweres Gefecht. Im dreißigjährigen Krieg wurde Lorch 1631 hart mitgenommen, und 1794 versuchten die französischen Truppen mehrere Male von der anderen Seite her Lorch zu besetzen, wurden jedoch erfolgreich abgewehrt. Am Ende des zweiten Weltkrieges richteten Beschuss und Bombenabwürfe großen Schaden an, und 17 Lorcher Bürger kamen ums Leben.
Als "Freistaat Flaschenhals" ging Lorch nach dem ersten Weltkrieg in die Heimatgeschichte ein.
Nach den Jahren des wirtschaftlichen Niederganges verbesserte sich die Struktur Lorchs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mit der Wispertalstraße (1856 -1870) erhielt es eine Verbindung nach Bad Schwalbach, die Eisenbahnlinie Wiesbaden - Niederlahnstein wurde 1862 gebaut. Um den Fremdenverkehr zu beleben wurde 1867 der Verkehrs- und Verschönerungsverein gegründet. 1885 erhielt Lorch Stadtrechte. Das dies nicht schon während der mittelalterlichen Blütezeit geschah, ist nach O. Renkhoff auf die Eigeninteressen des zahlreichen Adels und das Fehlen einer landesherrlichen Burg zurückzuführen, vielleicht aber auch auf die Tatsache, dass Lorch bereits im 13. Jahrh., der für die Stadtrechtsverleihung günstigen Zeit, mit Mauern und Türmen befestigt war. 1923/24 wurde die heutige B 42 von Rüdesheim bis Niederlahnstein ausgebaut. 1965 wurde Lorch Garnisonsstadt. 1967 wurde das erste Lorcher Weinfest, das Hilchenfest gefeiert.
Die offizielle Verschwisterung mit den französischen Gemeinden St. Benoit und Ligugé fand 1976 statt.
1971 schlossen sich Lorch und Lorchhausen freiwillig zu einer Stadt zusammen.
Im Zuge der Gebietsreform des Landes Hessen wurden die Gemeinden Espenschied, Ransel und Wollmerschied im Jahre 1977 in die Stadt Lorch integriert.
Ranselberg
Mit Einzug der Bundeswehr in Lorch wurde Anfang der 60er Jahre die Siedlung Ranselberg geschaffen, die einen eigenen Ortsbezirk darstellt.
Lorchhausen wird erstmalig als "Husen" in einer Urkunde des Jahres 1211 erwähnt. Bereits 1350 gehörte Lorchhausen als befestigtes Vorwerk zu Lorch. Reste der Wehranlage sind bis heute erhalten geblieben. Im Jahre 1773 wurden die Gemarkungen von Lorch und Lorchhausen getrennt. Der Zusammenschluss mit der Stadt Lorch im Jahre 1971 erfolgte auf freiwilliger Basis.
Espenschied ging aus einer Grundherrschaft des Erzbischofs von Mainz hervor und findet erstmals im Jahre 1187 als "Espelscheid" urkundliche Erwähnung. Um 1250-1260 erscheint das Dörfchen in einem eppsteinischen Lehensverzeichnis. Das in einer reizvollen Landschaft gelegene Dorf hat einen märchenhaften Aufstieg erlebt, der aber nicht nur der Lage sondern auch der Tüchtigkeit seiner Bewohner zuzuschreiben ist. Im Jahre 1974 wurde Espenschied das Prädikat "Staatlich anerkannter Luftkurort" zuerkannt, das bis heute Gültigkeit hat.
Ransel wird erstmalig im Jahre 1187 als "Ramsel" genannt. Es gehörte zu den ersten Stützpunkten des Mainzer Erzstiftes, das bereits in dieser Zeit neben dem Hof Ransel einen Hofsitz in Weisel besaß. Im Jahre 1653 wurde Ransel Pfarrei. Seit 1765 besitzt der Ort ein eigenes Gerichtssiegel, das die Schutzpatronin der Kirche, die hl. Katharina zeigt.
Wollmerschied tritt erstmals urkundlich im Jahre 1324 bei der Grenzbestimmung im Norden des Rheingaues in Erscheinung. Der Ort ging aus einer Grundherrschaft des Erzbistums Mainz hervor. 1675 trennte Ransel seinen Waldmark von der Wollmerschieds. Für 1797 ist ein Gerichtssiegel nachgewiesen, das das Bild der Dorfkapelle über dem Mainzer Rad zeigt.
Verfasser: Robert Struppmann